Archive for the Category Kurzgeschichte

 
 

Drachenbaum

2013-10-19_13-54-30Sie parkten direkt neben uns, in einer Tiefgarage mitten im Zentrum von Orotava.  Der ältere Herr – groß, leicht gebeugt, silbergraues Haar, helle Hose, ein dezent gemustertes Oberhemd unter dem leichten Sommerjacket – war ausgestiegen, fasste sich mit der linken Hand ans Kreuz, verzog kurz das Gesicht, richtete sich dann zu seiner vollen Länge auf. Er ging um den Leihwagen herum, öffnete die Autotür. »Komm, meine Liebe!« sagte er und stützte ihren Ellbogen beim Aussteigen.  Auch die Frau war groß, schlank, trug eine teure Seidenbluse, einen eleganten weiten Rock, Ledersandaletten. Steif stand sie neben dem Auto, während er die Tür zudrückte und mit der Fernbedienung den Wagen verriegelte.
Den ganzen Beitrag lesen…

Bodyboarding

2013-11-11_17-42-22Die Straße von Icod zur Badebucht San Marcos windet sich in Serpentinen den Hang hinunter. Doch nicht nur die ausländischen Touristen in ihren gelben und roten und blauen Plus- und Goldcars fahren vorsichtig, auch die einheimischen Tinerfenos lassen den heraufkommenden Wagen die Vorfahrt, fahren in die Ausweichbuchten, warten geduldig, heben grüßend die Hand.
Den ganzen Beitrag lesen…

Klettern in den Canadas

2013-11-03_13-37-59Juan, ein erfahrener Sportkletterer aus Santa Cruz, hat für mich den „Cinchado“, den „steinernen Baum“ ausgesucht, einen 30m hohen Basaltfelsen, der eher wie ein erhobener Arm mit drohender Faust aussieht als ein Baum. Er hat mir angeboten, mich zu begleiten und zu sichern. Die im Felsengebiet der Roques de Garcia schroff aus dem Geröll herausragende Felsnadeln sind aus aufgetürmtem Magma entstanden, das bei seinem Austritt erlosch und Basaltsäulen hinterließ. Eine Touristenattraktion. Hunderte von kleinen bunten Leihautos parken vor dem Parador. Touristen klumpen auf der Plattform, sehen die grandiose Felslandschaft durch das Display ihrer Kameras. Nur die Aktivsten unter ihnen sind aus ihren Sandalen geschlüpft, haben ihre Wanderschuhe geschnürt und machen sich auf den vier Kilometer langen Weg um das Massiv, so wie es die nette junge Frau im Visitor-Center empfohlen hat.
Den ganzen Beitrag lesen…

La Plaza de la Luz

2013-11-17_17-13-45Ich sitze im Schatten der Markise bei dem im Art nouveau Stil gebauten Pavillon mitten auf der Plaza de la Luz im historischen Kern der Altstadt von Los Silos, trinke ein Glas Milchkaffee und sehe den Maler mit schnellen Schritten über den Platz kommen. Graue Locken unter dem hellen Strohhut, den unvermeidlichen Zigarrenstumpen im Gesicht wie festgewachsen, die Staffelei unter der linken Achsel, ein Brett mit aufgezogenem weißen Papier am andern Arm schlenkernd. Seine Gestalt wirft einen langen Schatten auf die hellgrauen, kunstvoll verlegten Steine des großen Platzes.
Den ganzen Beitrag lesen…

Weihnachtskekse

fotolia_44530029_xs1Klirrende Kälte, als sie ins Bahnhofsgebäude hetzte. 20.15 fuhr ihr Zug. Wieder auf die letzte Minute. Würde sie es nie lernen?
Doch nach der Erleichterung, den Zug erreicht zu haben, machte sich in ihr sofort Unmut breit. Der Platz neben ihr war besetzt. Und sie hatte sich auf eine ruhige entspannte Fahrt gefreut. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass  der Großraumwagen so voll war,  ausgerechnet heute, am Heiligen Abend.  Wieso waren die Leute nicht bei ihren Familien?


Den ganzen Beitrag lesen…

Blick auf Arles

fotolia_5978599_xs

Wie eine Herde Schafe sind wir hinter unserer Kunstlehrerin in die Neue Pinakothek getrottet, die Staffelei unterm Arm, Acrylfarben und Pinsel in der Leinentasche über der Schulter. Projektwoche vor den Sommerferien, wie immer. Der Leistungskurs Kunst muss natürlich ins Museum. Und das bei dem super Wetter.
Den ganzen Beitrag lesen…

GAU

Atomkraftwerk Biblis vor der AbschaltungIch schrecke hoch. Ein auf- und abschwellender Heulton sticht in mein Trommelfell. Pause, dann ein erneutes Jaulen. Wieder Stille. Mit schweißnassen Händen ertaste ich den Radiowecker über meinem Kopf, drehe am Sendeknopf. Fernes Rauschen.
Mein Herz rast. Ich strampele die Bettdecke weg. Das Nachthemd klebt am Körper. Angespannt horche ich in die Dunkelheit. Nichts. Auch vom Kinderzimmer nebenan kein Laut. Ich dämmere weg. Wieder die Sirene.
Den ganzen Beitrag lesen…

Vom Schreiben

Cuadernos de escrituraGlück gehabt, da ist noch ein Tisch frei, direkt in der ersten Reihe. Es ist Wochenmarkt in Freising, und an diesem sonnigen Samstagvormittag ist das Gedränge auf dem Marienplatz riesengroß. Ich lasse mich auf dem Korbstuhl nieder, zünde genüsslich eine Zigarette an, lege mein schwarzes Moleskine-Notizbuch mit dem ollen Gummibandverschluss auf den Tisch, krame in meinem Rucksack nach einem Kuli.
Den ganzen Beitrag lesen…

Morgenspaziergang

An der HammeMorgenspaziergang

Ich bin aber auch ein Idiot. Da habe ich mir schon das Knie verrenkt, gehe an Krücken und lasse mich doch breitschlagen zu diesem Morgenspaziergang. Morgenspaziergang! Es ist mitten in der Nacht. Fast noch dunkel. Um 6 Uhr aufstehen. Ich glaube, ich spinne. Noch nicht mal zu Schulzeiten habe ich das gebracht. Höchstens mal, um einen Flieger zu kriegen. Oder einen Zug, um in Urlaub zu fahren.
Den ganzen Beitrag lesen…

Der Spiegel

Kopenhagen 5091Du darfst mich ruhig malen, sagt die kleine Meerjungfrau . Ich hoffe, du bemerkst, wie elegant meine Hals- und Kopfpartie aussieht. Und auch über meine kleinen festen Brüste kann man nicht meckern. Und erst der flache Bauch.


Den ganzen Beitrag lesen…