Archive for November 2020

 
 

Kinderverschickung

 

Auf Bahnsteig 3 standen Eltern dichtgedrängt, aufgeregte, zappelnde oder still vor sich hinweinende Kinder an der Hand. Der Schnellzug von Essen nach Dagebüll über Gelsenkirchen, Dortmund, Hamburg hatte dreißig Minuten Verspätung. Es war Anfang November, die stählerne Überdachung bot nur behelfsmäßigen Schutz gegen Regen und Wind. Mütter hatten die Kragen ihrer Kaninchenfellmäntel hochgeschlagen und hielten den kleinen Sohn, die kleine Tochter an sich gedrückt, halb in den wärmenden Mantel geschlagen. Einige größere Jungen tobten über die Plattform, neckten die kleinen Geschwister und ließen sich erst von den entnervten Worten ihrer Väter zurückpfeifen.
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Der Gasherd

 Manchmal, aber nur manchmal denke ich an meinen Gasherd. Diesen vermaledeiten Gasherd, der der Grund für unsere Scheidung war. Mein Mann hat die Situation einfach nicht mehr ausgehalten. War ja auch zum Verrücktwerden.
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New York, New York

N.Y. 1966

Sie war 19. Seit ein paar Tagen. Das Abitur lag hinter ihr. Ein guter Abschluss. Kein sehr guter. Dabei hatte sie in Mathe noch Glück gehabt.
»Schauen Sie nicht aus dem Fenster«, hatte der Mathe-Lehrer noch vor den Prüfungen  gesagt. »Noch haben Sie Ihr Abitur nicht in der Tasche.«
Er schien sie trotzdem zu mögen. Sie hatte sich zusammengerissen. Gebetet, dass sie nicht in Bio geprüft würde. Unfähig, die Blätter der Buche von denen einer Linde zu unterscheiden. Konnte die Blödeste in der Klasse. Sie nicht. Von Chemie ganz zu schweigen. Zahl oben oder Zahl unten. Wieso? Warum? Ein Buch mit sieben Siegeln.
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