Der Gasherd

 Manchmal, aber nur manchmal denke ich an meinen Gasherd. Diesen vermaledeiten Gasherd, der der Grund für unsere Scheidung war. Mein Mann hat die Situation einfach nicht mehr ausgehalten. War ja auch zum Verrücktwerden.

Im Alltag ging ich mit dem Gasherd um, wie man eben mit einem Gasherd umgeht: automatische Zündung, Flamme hochdrehen, Topf drauf oder die Pfanne, warten, bis das Wasser kocht oder das Schnitzel brutzelt, Gas abstellen.

Kochen konnte ich eigentlich ganz gut. Es kokelte auch nichts mehr an, als ich mich zu der Entscheidung durchrang, während des Kochens  nicht mehr ans Telefon zu gehen.

»Mama, nein, nimm  den Hörer nicht ab«, schrien meine Kinder, wenn sie nach der Schule ausgehungert nach Hause kamen.

Mein Mann wollte einen Elektroherd spendieren, als die Kinder aus dem Haus waren.

»Einfacher zu bedienen. Viel sicherer!«, sagte er freundlich. Damals war mein Mann noch freundlich und strich mir noch ab und zu über den Arm oder biss mir in den Nacken.

Ich lehnte entschieden ab: »Unnötige Ausgabe«, sagte ich, denn übers Kochen machte ich mir keine großen Gedanken. War einfach nicht so wichtig. Ob eine der Flammen am Gasherd noch brannte, daran dachte ich nie, dann selten, dann immer öfter, allerdings immer dann, wenn wir im Auto saßen, um ins Kino zu fahren oder ins Theater oder übers Wochenende an die See, was mein Mann und ich öfter gemacht haben. Damals, als er mir noch in den Nacken biss.

Auf dem Weg zur Autobahnauffahrt – kurz vor dem Ihlpohler Kreisel – durchzuckte mich manchmal – später immer öfter – die Frage, ob der Gasherd ausgeschaltet war. Züngelte die blaue Flamme immer noch vor sich hin?

Anfangs hat mein Mann noch gebremst, mit einem kleinen Seufzer gedreht und ist zurückgefahren. Ich habe die Haustür aufgeschlossen, bin in die Küche gerannt.

»Alles ok«, habe ich gesagt, wenn ich mich wieder in den Beifahrersitz plumpsen ließ. »War alles aus.« Stimmte meistens.

Aber diese Situation wiederholte sich, erst selten, dann ab und zu, dann in immer kürzeren Abständen. Schließlich hat es mein Mann nicht mehr ausgehalten. Ich meine, meine Vergesslichkeit. Ich vergesse so viel. Erst den Herd, dann das Bügeleisen, schlimmer noch: die Adventskerzen.

»Reiß dich zusammen!«, sagte mein Mann. »Lange halte ich das nicht aus.«

Ich habe mir Mühe gegeben. Wirklich!

»Gas, du bist jetzt aus!«, habe ich laut zum Herd gesagt und den runden Regler auf Null gedreht,

»Kerze, jetzt puste ich dich aus«, habe ich zur Kerze gesagt und gepustet.

»Hausschlüssel, ich ziehe dich jetzt ab. Du sollst nicht über Nacht außen in der Tür stecken.«

Es hat alles nichts genützt. Mein Mann ist ausgezogen. Er hat jetzt eine Jüngere. Die vergisst wohl nichts.

Aber mir geht es gut hier im Heim. Der Doktor kommt jede Woche und gibt mir Pillen gegen die Vergesslichkeit. Und kochen brauche ich auch nicht mehr. Ich werde gut versorgt.

Neulich hat mich mein Mann angerufen. Er habe aus Versehen die Küche der jungen Frau unter Wasser gesetzt. Habe vergessen, nach dem Spülen den Wasserhahn abzudrehen. Es war nicht das erste Mal. Sie habe nun die Nase voll von ihm. Ob er zu mir ins Heim ziehen könne? Mein Zimmer sei doch sicher groß genug. Er verspricht, mir auch wieder in den Nacken zu beißen.

 

 


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