Archive for the Category Kurzkrimi

 
 

Erstes Semester Amerikanistik

Corinna war jung, blond, lebenslustig. Erstes Semester Amerikanistik in Tübingen. Ein Platz im Studentenheim, Glück gehabt. Zur rechten Zeit am rechten Ort. Corinna, die älteste Tochter eines Internisten und einer Lehrerin aus Essen, genoss die Feten im Wohnheim, den neuen Wein in den Tübinger Kneipen, Stocherkahnfahrten auf dem Neckar mit netten Kommilitonen. Ein berauschendes Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung, befreit von elterlicher Fürsorge und Kontrolle. Zu viel Alkohol, natürlich.
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Schriftstellerkongress im Adlon

Es war ein feuchtfröhlicher Abschiedsabend geworden im Hotel Adlon. Wein und Bier war in Strömen geflossen, die Stimmung der im Moment gut im Trend liegenden Autoren war gestiegen, die Lautstärke auch. Für kurze Zeit war aller Neid und die Eifersüchteleien vergessen, die sonst jede Kommunikation zur Qual machten. Und dass die attraktive chinesische Schriftstellerkollegin Hua Hui Minh es doch noch im letzten Moment geschafft hatte, ein Visum zu bekommen und auszureisen, war das I-Tüpfelchen auf dem gestrigen Abend. Zwar hatte sie nicht an den dreitägigen Symposium und den endlosen Diskussionen teilnehmen können – was hätte sie auch sagen sollen? -,  aber ihre Anwesenheit am letzten Abend ließ zumindest die anwesenden Männer zur Hochform auflaufen .
Hua Hui Minh war entzückend. Ihre Haare lang und schwarz , die Haut weich und schimmernd wie wertvolles Porzellan. Die schrägstehenden Augen glänzten tief und geheimnisvoll, wenn sie einem ihrer Kollegen ein Lächeln schenkte.
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Köllnflocken

»Warum Köllnflocken? Die daneben sind billiger!«
Der alte Mann mit dem Elbsegler auf dem Kopf und den ausgebeulten Jeans hat seine Stimme erhoben und sieht seine Frau vorwurfsvoll an. »Schmeiß doch das Geld nicht so raus! »
Ihre ausgestreckte Hand zuckt zurück. Sie ist groß und schlank, größer als er, sieht auch jünger aus.
»Aber Hans-Dieter«, sagt sie. »Ich mag nun mal lieber die echten Köllnflocken«.
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Blutspur

Der junge Arzt hat bedauernd mit den Schultern gezuckt, was von „alles Menschenmögliche getan“ gemurmelt. Er hat den Eltern die Hand geschüttelt und ist dann schnell verschwunden, ohne mich nur eines Blickes zu würdigen. Dabei war ich es, der sie gefunden hat. Im Graben, herausgeschleudert aus ihrem roten Sportcoupé, das ich ihr zur Verlobung geschenkt habe.
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Du schönes Kind, komm spiel mit mir!

StPeterEin pensionierter Finanzbeamter, der gegen halb sieben seinen schwarzen Labrador am menschenleeren Strand von Sankt Peter Ording spazieren führte, hatte die Polizeistation in Tönning alarmiert. Die Leiche lag im feuchten Sand zwischen den hohen Stelzen des hundertjährigen Pfahlbaus, auf dem sich die Sanitäranlagen   befanden.
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Überfall

Wie schön ist es bei uns, denkt Marlene und räkelt sich auf der Couch, während die im Feuer knisternden Eichenholzsparren eine wohlige Wärme verbreiten. Durch die großen Panoramascheiben sieht sie, dass es angefangen hat zu schneien, große flauschige Flocken fallen aus einem bewölkten Himmel, nur ganz im Osten funkeln ein paar Sterne. Der Garten liegt hell unter einer weißen Decke, die alle Geräusche dämmt. Ein leichter Wind spielt mit den Zweigen der Tannen, wirbelt die helle Last in die Luft. Ob das Vogelfutter noch reicht?
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Café Majestic

Seit zwei Monaten lebt Annika  in Porto. Sie ist immer wieder hingerissen, wenn sie von Vila Nova de Gaia kommend über den Douro fährt und die Silhouette der Stadt sich vor ihr aufbaut: die Kathedrale, der Torre dos Clerigos, die bunten Häuser am Fluss. Sie hat sich die Innenstadt erlaufen und ist eingetaucht in die Betriebsamkeit der Gassen und Plätze.
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Herbstzeitlose

herbstzeitlose»Muss das wirklich sein?«, Gudrun Hoberger blickte ihren Mann angewidert an, der seine Stulle dick mit Leberwurst belegte und sich noch ein Bier nachgoss.
»Doktor Jensen hat doch gesagt, dass du dringend abnehmen musst. Sonst kriegst du bald überhaupt keine Luft mehr.«
»Ach was«, sagte Wolf-Dieter und rollte entnervt mit den Augen. «Das ist erst meine vierte Scheibe Brot. Und außerdem schmeckt es mir.«
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Date im U-Bahn Schacht

schuhNoras Hände waren feucht, als sie die Rolltreppe zur U-Bahn-Station  hinunterfuhr. Die Handlaufschiene aus blauem Plastik klebte. Warm war es, die Luft stand. Es stank nach Autoabgasen und Bratwurst. Angeekelt zog sie die Hand weg, versuchte, auf der steilen Treppe die Balance zu halten. Vielleicht hätte sie doch nicht die neuen High Heels mit den spitzen silbrigen Absätzen anziehen sollen.
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Amigas

2013-11-14_15-20-34Niemand versteht ein Wort. Die junge Frau mit dem zerrissenen T-Shirt und den von Dornen aufgerissenen Knien schluchzt und stammelt in einem Gemisch von Deutsch und Spanisch unverständliche Worte. Sie ist durch die Tür in der kleinen Bar am Dorfrand von Teno Alto gestolpert und hält sich am Tisch fest. Ihre Stimme überschlägt sich, Rotz läuft ihr aus Augen und Nase, die schwarzen kurzen Haare kleben am Kopf.
„Mi amiga“, versteht man. „Hilfe“ und „help“. Sie stampft mit dem Fuß auf, fuchtelt mit den Armen. „Rapido, rapido.“
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