Köllnflocken

»Warum Köllnflocken? Die daneben sind billiger!«
Der alte Mann mit dem Elbsegler auf dem Kopf und den ausgebeulten Jeans hat seine Stimme erhoben und sieht seine Frau vorwurfsvoll an. »Schmeiß doch das Geld nicht so raus! »
Ihre ausgestreckte Hand zuckt zurück. Sie ist groß und schlank, größer als er, sieht auch jünger aus.
»Aber Hans-Dieter«, sagt sie. »Ich mag nun mal lieber die echten Köllnflocken«.
»Papperlapapp, du kannst gar keinen Unterschied schmecken. Du zahlst nur den Namen.«
»Hör mal, ich kaufe seit fast vierzig Jahren ein für unseren Haushalt und verarmt sind wir bisher nicht.«
»Ja, ja, so machen die Profite. Mit Frauen, wie du eine bist.«
»Was soll das denn heißen, Hans-Dieter? Frauen, wie ich eine bin. Du hast dich vierzig Jahre nicht beklagt. Das Essen stand pünktlich auf dem Tisch. Über meine Kochkünste hat sich niemand beschwert. Weder du noch die Kinder. Und jetzt fängst du an, mich zu terrorisieren.«
»Terrorisieren? Ich sag doch bloß, du sollst nicht die überteuerten Sachen kaufen. Die No-Name-Produkte sind auch gut. Ist oft ein Markenname dahinter. Sagt auch die Stiftung Warentest. Aber so was liest du ja nicht. Immer nur deine Liebesromane.«
»Jetzt hör mal gut zu, mein Lieber. Ich bin nur dir zu Gefallen mit in diesen Billig-Supermarkt gegangen. Ich hasse diese Läden, das weißt du. Die aufgestapelten Kisten, die Warterei an der Kasse, die (hier senkt sie ihre Stimme) Prolls hier und die Kontrolle an der Kasse, als wären wir Kleinkriminelle. Hör auf, mir einen Vortrag über Preise zu halten.«
»Ja, die gnädige Frau hat immer eifrig mein sauer verdientes Geld in feinen Läden rausgeschmissen. Markenklamotten mussten es sein. Schuhe von Deichmann? Da hat sie nur die Nase gerümpft.«
«Du mit deiner ´Geiz ist geil `- Macke. Wem willst du denn das ganze Geld vererben? Deinem gestörten Sohn etwa, diesem Versager?«
Der Mann schiebt den Elbsegler nach vorn: »Du bist besser ruhig, du mit deiner Luxustochter, diesem verwöhnten Dämchen. Ganz die Mutter.«
»Nicht das schon wieder. Ich hätte gern ein Kind von dir gehabt. Kann ich dafür, dass du dich hast sterilisieren lassen nach deiner gescheiterten Ehe. Du hattest doch nur  Angst, nochmal Babys wickeln zu müssen.«
»Ja, das hätte dir gepasst, ein Kind, dann hättest du überhaupt nicht mehr arbeiten gehen müssen.«
»Ich habe gearbeitet.«
»Ja, halbtags. Den Rest des Tages hast du mit deinen Freundinnen getratscht.«
»Also, langsam reicht es mir. Ich habe eben viele Freundinnen. Im Gegensatz zu dir. Du bist doch kontaktunfähig.Hast du überhaupt einen einzigen Freund?«
»Was geht dich das an? Ich vertrödele nicht meine kostbare Zeit mit unnötigem Geschwätz.«
»Mir reicht es! Autist! Ich gehe jetzt. Mach doch, was du willst.«
Sie rennt aus dem Laden. Hetzt zum Auto, steckt den Zündschlüssel in die Zündung, startet den Motor. Ein Blick zurück. Sieht ihn an der Kasse stehen. Sie macht den Motor aus, kurbelt die Scheibe hinunter, zündet sich eine Zigarette an und pafft den Rauch in die Luft. Er wird einen Herzinfarkt erleiden, wenn er sieht, wie sie in seinem geliebten BMW raucht.
»Ich sollte losfahren«, sagt sie halblaut. »Ihn einfach stehen lassen.«
Sie sieht, wie er aus der Ladentür kommt. Nur eine einzige Packung in der Hand. KöllnFlocken. Die echten.
Ihre Leiche wurde Tage später gefunden. In einem Sack hinter dem Trafohäuschen am Campingplatz. Er hasste Reisen, der fest installierte Wohnwagen am See reichte ihm. Die andern Campinggäste waren schockiert. Die beiden haben sich doch so gut verstanden! Der arme Mann. Undenkbar, dass …
Die Polizei steht vor einem Rätsel.


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