Archive for the Category Erzählungen

 
 

Praia de Meco 2

Ja, ja, ja, tragisch, tragisch, tragisch. Egal, welche Zeitung man aufschlägt. ich kann das heuchlerische Geschrei nicht mehr hören. Als hätten diese schreibenden Schmierfinken eine Ahnung, was tragisch bedeutet. Unschuldig schuldig werden: Wer ist hier unschuldig schuldig geworden? Ich – als Rektor der Universität? Das gestörte Kerlchen, das den »Dux« spielte und sich nun heulend bei seinen Eltern verkrochen hat? Er habe das nicht gewollt, ist das einzige, was man aus ihm herausbekommt. Und jetzt das Geschrei, die Aufnahmerituale zu verbieten. Verbieten ist ja immer gut, das ist einfach, kommt gut an, beruhigt die Volksseele und kostet nichts.
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Initiationsrituale – Praia do Meco

 

Der Wind blies ihr ins Gesicht, als sie aus dem Haus trabte. Weißliche Atemwolken vor ihrem Mund. Jeannette zog die Kapuze hoch, das Wolltuch vors Gesicht. Bleich und rund hing der Mond über dem Meer, immer wieder verdeckt von jagenden Wolkenfetzen. Nur wenige Grade über null. Keine gute Idee, das warme Bett zu verlassen, um in den Dünen zu joggen, auch wenn die Stirnlampe einen schwachen Schein warf, der die Konturen des Pfades vor ihren Füßen ein wenig trittsicherer machte. Sie hatte nicht einschlafen können. Gerhard hatte an diesem Wochenende keinen Bereitschaftsdienst. Sie solle doch mal ausspannen, hatte er gesagt, ihr angeboten, sich um die beiden Jungs zu kümmern. Der FC Porto spielte gegen Benefica Lissabon. Eine gute Gelegenheit.
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Um nicht zu vergessen

Den alten Plunder wollte sie nicht. Widerwillig zog Eva-Maria die zerknitterte Bettwäsche, die verwaschenen Handtücher aus den geöffneten Schränken. Morgen würde das Entrümplungsunternehmen kommen. Die Schränke, Tische, Stühle, das alte durchgesessene Sofa, das quietschende Bett, das der Vater nach dem Tod der Mutter durchgesägt hatte, die abgetretenen Teppiche und all die anderen Überbleibsel eines fast 80-jährigen Lebens würden unter der Plane eines Kleinlasters verschwinden. Auf Nimmerwiedersehen. Nein, sie konnte nichts brauchen in ihrer großen hellen Wohnung mit den modernen Designermöbeln. Nein, auch nicht zur Erinnerung.
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Ich bin Künstler

Claude geht zum Küchenschrank, nimmt eine halbvolle Flasche Chivas Regal heraus. Er schüttet die gelbbraune Flüssigkeit in ein Glas, randvoll, zündet sich eine Zigarette an, inhaliert. Vor ihm auf dem Küchentisch liegt der Brief mit dem Absender der JVA. Der junge Mann lässt sich auf den Küchenstuhl fallen, reißt den Umschlag auf.
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Soll das schon alles gewesen sein?

… ist ja auch wirklich nett von ihm mir eine Auszeit zu geben geht einem ja auch auf den Geist das ewige Hausfrauen- und Muttersein obwohl es lässt sich aushalten hier an der Algarve das Wetter ist prima auch im Winter das Licht über Lissabon ein Traum und dann die Wochenendpartys in Cascais unter den blühenden Bougainvilleas und mit rotem Borba im Glas wenn die Portugiesen uma casa portugesa singen da geht mir das Herz auf wirklich Fado macht mich ganz verrückt Amelia und so aber ich werde in einem Jahr fünfzig und soll das schon alles gewesen sein
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Richthofens Erben

pilot bei der arbeitAaron würgt noch schnell das Frühstück runter, zwei Tassen Kaffe, eine Zigarette. Ideales Flugwetter. Er sprintet über das Flugfeld zu seiner Maschine, zieht noch im Laufen den Reißverschluss seiner roten Kombi hoch. Neben ihm fünf seiner Kameraden, angespannt, konzentriert, aber mit leuchtenden Augen. Wie vor der Bescherung. Der leichte Septembernebel wird sich lichten, hat die Flugsicherung versprochen. Endlich wieder Tiefflugwetter.
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Unter dem Löwentor von Mykene

Tor auf MykeneJonathan hatte sich in der unterirdischen Zisterne verborgen, als die Wärter den Eingangsbereich gegen 19 Uhr dichtmachten. Die flirrende Hitze über der Argos-Ebene war einer angenehmen Kühle gewichen. Leergefegt der Parkplatz mit den endlosen Schlangen von Touristenbussen. Auch die Wärter hatten sich verzogen. Feierabend. Stille.
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Shopping

2013-11-19_15-35-02Die blauen Wohnblocks der Hotelanlage  sind schon von der Küstenstraße aus zu sehen: das zwölfstöckige Fünf-Sterne-Hotel, links daneben ein hoher rechteckiger Block mit Ferienwohnungen und im von purpurnen Bougainvillearanken und scharlachroten Hibiskustträuchern überwucherten Park ein niedrig gebauter zweigeschossiger Pavillon mit Luxusapartments. Hellgraue, sorgfältig gepflegte Gehplatten führen uns von außen an der marmorgefliesten Empfangshalle vorbei zur Nordwestecke des Gebäudes. Salzig die Luft, das Rauschen der Brandung ist bis hierher zu hören.
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Torajaland

 

„Dein Wille geschehe wie im Himmel so… „, Christiane nimmt die Hände von der Tastatur ihres Rechners. Ihr Blick wandert in den sonnigen Pfarrgarten vor dem Fenster ihres Arbeitszimmers, verweilt einen Moment an den noch in voller Pracht stehenden Astern und Dahlien. Die Äste der großen Kastanie an der eisernen Eingangspforte schaukeln heftig im warmen Herbstwind, die Blätter sind an den Rändern bräunlich gefärbt und sehen ungesund und schlaff aus. Kastanienkrankheit?
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Bird Watching

image008«Wann kommen sie endlich?», der kleine Junge zerrt an der Hand der Mutter. «Mir ist kalt.»

Die Mutter zieht dem Kind die Mütze tiefer in die Stirn, knöpft ihm den Mantel zu, wickelt den Wollschal fester um den Hals.

«Es dauert nicht mehr lange, bestimmt nicht. Guck mal, die Sonne ist gleich hinter den Bäumen verschwunden.»

«Warum kommen sie, wenn es dunkel wird? Dann sehen sie doch nichts mehr.»

«Nicht wenn es ganz dunkel ist», sagt die Mutter und kramt den Fotoapparat aus der Tasche. «Wenn es dämmrig wird. Sie brauchen einen Platz zum Übernachten.»
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