Rovaniemi oder Wo der Weihnachtsmann wohnt
Menschenskinnas, wat kuckse denn so, Hans-Erwin? Brinkfriede sieht ungeduldig zu ihrem Mann hinüber. Haste nen Schock oder wat? Tut mich ja auch leid um dat kleene Dierchen. Aber warum muss dat Muttadier auch mit die Kitzleins über die Landstraße rennen. Dat sollte et doch gelernt haben, in all die Jahre. Dat die Autos nich so einfach bremsen können. Wat, wir hätten halten sollen? Tickse noch richtich? Die Polizei rufen? Und vlaicht Strafe zahlen? Bisse noch bei Trost? Die sind doch selbst schuld, die Finnen. Sollen die doch ihre Wälder einzäunen. Is ja lebensgefährlich. Sei froh, dat man an unserm teuern Hyma nix sieht. Muss direkt unta de Räda gelaufen sein. War sicher sofort tot, dat arme Dier.
Halt, da issen Parkplatz. Hier rein. Nu sind wir vorbei. Aber du willst ja imma nah ran. Als ob wir nen Platz finden würden mit dat große Teil. Wat steht aufm Schild? «Santa Claus Christmas Park». Da müssen wir mal mit die Kinderkes hin. Die können da Schlitten fahrn. Und Rendierkes streicheln und so. Ja, ja, ich weiß, die Fahrt is echt weit. Trotzdem schade. Innem Weihnachtshotel würde ich auch mal gern übernachten. Wär echt romantisch. Aber da haste ja nix für über. Immer nur Camping.
Stop, da is ne Lücke. Passen wir bestimmt rein. Meine Güte, wat die Leute hier für große Autos fahren. Lauter SUVs. Die sind doch echt teuer. Geld scheinen die Finnen ja zu haben.
Kuckma, ein Briefkasten. Wo sind die Wunschzettel? Haben die Kinnerkes sofort gesagt, dat da in Rovaniemi de Santa Claus wohnt. Hättest du dat gewusst? Haben die sicher ausm Fernsehn. Ich sach ja, Fernsehn bildet. In deine WAZ steht dat nich drin. Is doch doll, alle haben ihre Kärtchen annen Weihnachtsmann geschrieben. Gib zu, du hättest die bestimmt liegen lassen. Wat sächse? Unverschämte Brut? Natürlich habn se Wünsche. Sind doch Kinda. De lieben Enkelkinderkes. Ach, wie süß, hömma «Morgen Kinder wird’s was geben.» Da staunste, wat? Woher weiß der Kasten denn, dat wir aus Deutschland kommen.
Jetzt erstmal innen Weihnachtsshop. Boah, ganz schön voll hier. Und die schöne Musik. Wat spielen se? «I am dreaming of a White Christmas». Wat meinse? Übertrieben? Aber träumen darf man ja wohl noch.
Dat is ja riesig hier. Die werden doch wohl Kreditkarten nehmen, die Weihnachtsmänner hinta de Kasse. Mit die roten Mäntel und die Zipfelmützen. Und da die Engels, die die Geschenke einpacken. Wat hamse für schöne weiße Gewända an. Nur die großen Flügel, die müssen doch unpraktisch sein. Hans-Erwin, ich bin janz aufgeregt. Wattet hier allet gibt!
In die lange Wollstrümpfe tun wir dat Süße. Und dat finnische Halstuch mit die weißen Troddeln kaufen wir für deine Schwägerin. Und für die Gerda dat Portemonnaie. Die hattet doch immer so mit dat Geld.
Bunte Weihnachtsteller können wir auch brauchen. Die alten sehen so schäbig aus. Peinlich, wenn wir dieses Jahr die ganze Bagage am Hals haben. Nehmen wir doch sechs mit Santa drauf, und sechs mit die Engels. Und eine neue Krippe kaufen wir auch. Kuckemal, Maria, Josef, Ochs und Esel, dazu dat liebe Jesuskind. Dat wär doch wat. Und so geschmackvoll. Alles Handarbeit. Wat meckersse? Keiner von uns geht Weihnachten inne Kirche? Wat hat dat denn damit zu tun? Schön feierlich wollen wir et doch haben, oda?.
Da, der rosa Plastik-Weihnachtsbaum, dat wär doch wat für unser Schwiegertochter. Die mit ihrem Putzfimmel. Da brauch sie keene Angst zu haben, dat der hellblaue Teppich versaut wird. Und tropfende Kerzen sind auch out. Wir kaufen direkt zehn Lichterketten mit die hübschen silbernen Plastikkerzen. Dazu Lametta satt. Wat sachse? Kriegen wir auch zu Hause? Ja, aber dat macht doch mehr Spaß, die Sächelchen hier zu kaufen, wo wir doch schon einmal hier sind, in Rovaniemi. Außerdem ist dat Lametta im Sondaangebot.
Kucke, dat niedliche Schaukelpferd. Dat wär doch was für die kleene Mia! Wat sachse? Passt nicht mehr innet Auto? Natürlich passt dat. Typisch Mann. Und die rotweißen Plastikschlitten, einen für jedes Kind. Die kann man doch stapeln. Da haben die Kinners mal wat ganz Besonderes. Wat die andere Kinner in Gelsenkiachen nich haben.
Halt, für Muttern noch die Weihnachtstasse, ach so, eine Untertasse und der Kuchenteller gehören auch dazu. Allet in Rot mit Goldrand. Die wird sich wat freuen. Wat iss denn in die goldenen Kistchens? Gebäck, ja Weihnachtsgebäck könnten wir auch brauchen. Da muss ich den doofen Stollen nich backen. Is zu aufwendig. Muttern meint sowieso immer, ihra is bessa.
Wat, du willst schon mal raus? Wat meinsse? Ich soll mal machen? Mach ich auch!
Lass mal deine Karte hier. Wat war die Nummer?
Ja, ein oder zwei von die Tischdecken mit die gestickten Tannenzapfen könnte ich auch mitnehmen. Eine für uns, eine als Reserve, wenn wir mal wieder einen vergessen haben. War peinlich im letzten Jahr mit Erich. Obwohl, die geschmacklose Vase, die er angebracht hat, hat er sicher im Julklapp gewürfelt und wollte se loswerden. Muss dran denken, se hinzustellen. Nein, wir werden uns nich lumpen lassen. Hans-Erwin verdient gut, da soll er nich so auf den Pfennig kucken.
Ob man bei die hier auch Wild bestellen kann? Rentierfleisch? Dat wäre doch wat janz Besonderes. Dagegen kann der olle Karpfen von meine Schwester nich anstinken. Schmeckt sowieso imma schlammich.
Dat Fleisch kann ich innen Gefrierer tun. Innet Wohnmobil. Hans-Erwin wird wieda meckern. Er is sicha schon draußen beim Glühwein. Darauf könnt ich jetzt auch. Da kommt man so gut in Stimmung.
Stopp, Weihnachtskarten, mindesten 40 Stück. Damit mir keiner beleidicht ist. Sind dat hübsche Karten! Kann man auch gut aufm Sideboard stellen, da können alle gleich sehen, wie viele Karten man gekricht hat. Hans-Erwin, deine Visa-Karte. Ach, die habich ja. Yes, dat is allet meins. My, me! Yes, könnense einpacken. Yes, natürlich inne Weihnachtskartons. Dat ganze Gedöns. Wat meinense denn ? Senden from hier? Nöö, lieba nich. Zu früh, very early, tun wir innet Auto.
Wat lutscht Hans-Erwin da? Eis? Gute Idee. Ganz schön heiß isset in Finnland. Fast 30 Grad. Und dat am Polarkreis. Na ja, issja Juuli…
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2. Dezember 2012 at 20:56
Die Geschichte selbst finde ich gut beobachtet und originell. Aber das mit dem Ruhrgebietsdeutsch überzeugt mich als durchgängig geschriebener Text auch nicht richtig, obwohl ich natürlich alles verstehe. Ich würde das Ganze in „schlechtes“ Schriftdeutsch rückübersetzen, d.h. nur den Satzbau und nicht die Aussprache der einzelnen Wörter in Ruhrdeutsch bringen. Das wäre m.E. eine ausreichende Verfremdung. Jedenfalls wird der Text dann für mehr Leute lesbar verständlich und bleibt zum Schmunzeln.
4. Dezember 2012 at 15:12
eine schöne story, mit guter Pointe! Die Hauptperson ist (über Details lässt sich immer streiten) grundsätzlich sprachlich wie ‚von der Denke her‘, wenn man das mal trennen will, gut getroffen! Also: Mehr davon…
11. Dezember 2012 at 00:11
Kaufrausch gibt es nicht nur bei „primitiven“ Ruhrgebietlern und ganzjhrig florierende Weihnachtsgeschäfte nicht nur in Finnland, z.B. in Rothenburg ob der Tauber, in Titisee im Schwarzwald und wenn ich mich recht erinnere sogar in Bremen. Also ganz so originell finde ich die Idee nicht. Entschulgige bitte es ist nur meine persönliche, ehrliche Meinung.
11. Dezember 2012 at 18:51
Die Geschichte wird durch das Ruhrdeutsch besonders anschaulich und ich schmunzle. Die Pointe prima, denn auf irgendeine Wendung hab ich gewartet.
30. Dezember 2012 at 16:52
Auch für „Hesseköpp“ gut lesbar und verständlich!
Natürlich darf es überzeichnet sein, sollte es ja wahrscheinlich auch. Um so mehr sitzt die Pointe.
Nette Geschichte (mit doch ein bißchen Wahrheitscharakter).
24. Januar 2013 at 20:02
Die Idee finde ich witzig. Für mich als NIcht-Ruhrpott-Frau durch den durchgängigen Dialekt allerdings etwas anstrengend zu lesen.Vielleicht das Ganze auch etwas kürzer. Zum Schluß zieht es sich etwas.