Blutspur
Der junge Arzt hat bedauernd mit den Schultern gezuckt, was von „alles Menschenmögliche getan“ gemurmelt. Er hat den Eltern die Hand geschüttelt und ist dann schnell verschwunden, ohne mich nur eines Blickes zu würdigen. Dabei war ich es, der sie gefunden hat. Im Graben, herausgeschleudert aus ihrem roten Sportcoupé, das ich ihr zur Verlobung geschenkt habe.
Natürlich war ich eifersüchtig, rasend eifersüchtig. Aber jeder weiß, zur Liebe, zur wirklichen Liebe gehört Eifersucht. Wie hätte ich gleichgültig sein können gegenüber ihrer Vergangenheit. Dass sie andere Männer gehabt hat. Vor mir.
Kathrin, Katharina ist … war etwas ganz Besonderes. Groß, schön, elegant, und sie hat mir gehört, mir ganz allein. Das hat sie gesagt. „Nie habe ich einen Mann mehr geliebt als dich, Frank“, hat sie gesagt. Eigentlich wollte ich etwas anderes hören. „Ich werde dich nie verlassen“, wollte ich hören. „Wir werden auf ewig zusammenbleiben“, wollte ich hören. Aber da hat sie nur die Schultern gezuckt, gelächelt, mir über die Haare gestrichen. Wie einem kleinen Kind. „Genieß die Gegenwart“, hat sie gesagt. „Die Zukunft können wir nicht beeinflussen.“ Und nun ist sie tot. Tot. Tot. Tot.
Es stimmt, ich bin ihr hinterher gefahren. Sie brauche mal einen Nachmittag für sich, hat sie gesagt. Wieso für sich? Wen wollte sie treffen? Ich habe ihr alles gegeben. Alles. Sie auf Händen getragen. Ihr jeden Wunsch erfüllt. Natürlich habe ich alle Männer gehasst, die hinter ihr her waren. Wie Köter waren sie, mit hechelnder Zunge hinter ihr her.
Wie sie ihren Vater verehrt hat. Aber für den bin ich nur ein reicher Nichtsnutz, ein ewiger Student, der bloß sein Vergnügen kennt. Aber das ist nicht wahr. Ich habe mich geändert. Ich habe keine Drogen mehr genommen, seit ich Katharina kenne. Keinen Alkohol mehr getrunken. Oder nur ganz wenig.
Und dann ist sie weggefahren. Hat gesagt, ich kette sie an. Sie ertrage das nicht. Weggefahren in dem Wagen, den ich ihr geschenkt habe. Vor einem Monat. Zu unserer heimlichen Verlobung.
Ich bin ihr nachgefahren. Natürlich. Ich hatte nicht viel getrunken, eine halbe Flasche Schampus, mehr nicht . Ich weiß, was ihr Vater denkt. Er glaubt, ich sei irgendwie schuld an dem Unfall. Als hätte ich sie von der Straße gedrängt. Ich? Die Liebe meines Lebens. Von der Straße gedrängt?
Wer hat denn sofort den Krankenwagen geholt? Ich habe bei ihr gesessen, ihre Hand gehalten. Immer wieder „Kathrin, Kathrin“ gerufen, um sie bei Bewusstsein zu halten.
Und dann haben sie sie mir weggenommen. Mit Blaulicht in die Klinik gebracht. In den Operationssaal geschoben. Ich bin hinterhergelaufen, habe mit den Fäusten an die Tür gehämmert. Mit Gewalt hat man mich festgehalten. Mir eine Spritze gegeben. Sie haben bestimmt einen Fehler gemacht, dort hinter der weißen Tür. Unfähige Pfuscher. Teufel in Weiß.
Wie verächtlich ihr Alter mich angesehen hat. „Psychopath“, hat er den Ärzten zugeflüstert. Ich habe es genau gehört. Und ihre labile Mutter, die hat nur geflennt und „O Gott, o Gott“ gerufen, als ob der etwas ändern könnte.
Ob ich den Unfall gesehen habe, hat die Polizei mich gefragt. Warum Kathrin so schnell gefahren sei. Ob ich sie verfolgt habe. Und der Alte hat gelauert, ob ich mich verhaspele. Mir widerspreche. Wieso sollte ich? Ich war erst Minuten später an der Unfallstelle. Ich habe keinen anderen Fahrer gesehen. Nein, die Kurve war nicht eng. Nein, Kathrin hatte nichts getrunken. Vielleicht ein, zwei Cocktails, mehr nicht.
Warum ist sie vor mir weggelaufen? Ich wollte sie doch nur aufhalten. Ich wollte nur, ich wollte nur … in Ruhe mit ihr sprechen. Kathrin, warum hast du mir das angetan?
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