Archive for Oktober 2017

 
 

Vor Gericht

Auf den Zuschauerbänken im Landgericht  steigt der Geräuschpegel. Leute tuscheln, schütteln den Kopf, einige lachen laut. Ungeduldig klopft der Vorsitzende Richter mit dem Hammer auf den Tisch.
»Name, Adresse, Alter«, fragt er noch einmal.
»Mein Mandant zieht es vor zu schweigen«, sagt der Anwalt.
»Aber er kann doch seinen Namen nennen«, beharrt der Richter.
»Nein«, sage der Anwalt. »Mein Mandant ist Geheimnisträger.«
»Lassen Sie die Kindereien.« Der Richter wirkt ungeduldig. »Name, Adresse, Alter.«
»Ich sagte bereits«, – auch der Anwalt hebt die Stimme – , »mein Mandant ist Geheimnisträger.«
Im Saal wird gelacht. Wieder benutzt der Richter das Hämmerchen vor ihm. »Ich lasse den Saal räumen, wenn der Krach nicht aufhört. Wir sind hier vor Gericht.«
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Und das soll Kunst sein?

Ein älteres, elegant gekleidetes Ehepaar geht durch die Museumsräume der Weserburg, in der die Ausstellung »Proof of Life« gezeigt wird.

Er:       Immer diese moderne Kunst! Die sagt mir einfach nichts. Ich bekomme überhaupt keinen Zugang zu den merkwürdigen    Exponaten.

Sie:     Nun lass dich doch erst einmal darauf ein!

Er:       Schon der Titel »Proof of Life«. Welcher Beweis? Welches Leben?
Sich einen deutschen Titel auszudenken ist wohl zu viel verlangt. Englisch macht mehr her. Ist so schön unverständlich.

Sie:     Schau dir doch erst einmal die Ausstellung an. Unvoreingenommen. Mir zuliebe.

Er:       O.K., aber nur eine Stunde! Länger halt ich das nicht aus!
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Zugfahrt erster Klasse

Spätestens seit Lars von Triers Film Melancholia weiß man, dass schwer depressive Menschen erst im Angesicht vom Weltuntergang zu großer Form auflaufen, tanzen und singen und lachen. Bei Gesa lag der Fall nicht ganz so dramatisch wie bei Justine, trotzdem fühlte sich ihr Therapeut zunehmend hilflos angesichts ihr hartnäckigen depressiven Verstimmungen und ihrer negativen Weltsicht.
»Für Sie ist das Glas immer halb leer«, sagte er und hatte die Idee, Gesa mit der Deutschen Bahn kreuz und quer durch Deutschland zu schicken. Eine zugegebenermaßen unorthodoxe Maßnahme, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernehmen wollte. Er konnte nur hoffen, dass auf der Reise nicht alles glatt lief, aber das war bei der Deutschen Bahn ja auch höchst unwahrscheinlich.
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Heiliger Antonius

 

Côte de Granit Rose, ein kleiner Hafen südlich von Trégastel. Nach der Wanderung auf dem Sentier de Douaniers von Perros Guirec nach Trégastel hielten wir Ausschau nach den Sonnenschirmen einer bretonischen Hafenkneipe. Wir liefen am Quai entlang, begutachteten die vor sich hindümpelnden Yachten und widerstanden der Versuchung, uns einfach auf die Hafenmauer zu setzen. Der Hunger war zu groß. Das kühle Bier lockte und eine große Portion moules frites.
Wir schlenderten an einer einsamen Holzbank vorbei, den Blick sehnsüchtig auf die roten und blauen Schirme am anderen Ende der Bucht gerichtet, als mein Gehirn ein plötzliches »Stopp« signalisierte. Irgendetwas hatte meine Aufmerksamkeit erregt.
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