Bye, bye, love
Da stehen sie auf ihren Terrakotta gefliesten Terrassen und glotzen sich die Augen aus dem Kopf. Crime-Time in der Luxus-Wohnanlage. Polizeiautos zwischen Fliederbüschen, Glyzinien und Goldregen. Dicke Streifenbeamte, die mit Gewalt die Tür zu Eingang Nr.10 aufbrechen. Ich bin unbemerkt mit dem Fahrstuhl in die oberste Etage gekommen. Die Tür zum Dachboden war zum Glück auf. Mich kriegen sie nicht. Nie. Ich bin zu schlau für die. Zugegeben, den Kakadu zu vergessen, war ein Fehler. Habe ich leider erst nach ein paar Tagen gecheckt. Ich sofort zurück zum Apartment. Das Gezeter war schon von draußen zu hören. Blaulicht. Jemand muss die Bullen benachrichtigt haben. Mit Geld hat man Anspruch auf friedhofsähnliche Ruhe. Millionärspack! Aber ich habe blendend verdient an ihnen. Zum Haareschneiden sind die Damen gern gekommen. Dazu war ich gut genug. Das habe ich ja auch schwarz gemacht, und Madame hat gern die lumpigen Euros gespart, die ihr die Edelsalons in der Innenstadt abgenommen hätten. Ich bin mindestens genauso gut wie die. Ich bin ein Künstler. Ein Haarkünstler.
Das wissen meine Kundinnen die verwöhnten Schabracken mit den dünnen Härchen die alle aussehen wollen wie Julia Roberts und ich habe sie frisiert wie Julia Roberts oder Demi Moore oder wie die alle heißen jede Menge Spray und künstliche Haarteile und Farbe viel Farbe um die grauen Haaransätze zu verdecken Gesichter wie verknittertes Pergament dafür ist der Schönheitschirurg zuständig nicht ich falls der noch was machen kann aber ich war immer höflich und zuvorkommend habe ihnen geschmeichelt und Komplimente gemacht die haben sie eingesaugt wie Honig was kann ich dafür dass ihre Ehemänner mit heißen jungen Blondinen fremdgehen sie haben mir ihr Leid geklagt geschimpft, geweint herzzerreißend bin ich ihr Therapeut was zahlen sie dem die Stunde der kann doch auch nichts daran ändern dass sie vor Langeweile zugrunde gehen schwierig war es nur wenn die Damen austreten mussten die Nase pudern wie sie sagten ich habe sie meistens bis an die Klotür begleitet nicht dass sie aus Versehen ins Badezimmer rannten ich habe ja immer sorgfältig abgeschlossen die Badezimmertür und das Wohnzimmer mit dem Terrarium einen Herzinfarkt konnte ich wirklich nicht brauchen schreckhaft wie die Dämchen nun einmal sind gut hatten sie es bei mir frisch gebrühter Kaffe englischer Tee am liebsten Sekt oder Weißwein schon am frühen Morgen sonst ist die Tristesse wohl nicht auszuhalten die Welt schön trinken. Ich trinke nicht nie never keinen einzigen Tropfen.
Du bist schön wie ein Gott hat Friedhelm anfangs immer gesagt als er noch verliebt war und unbedingt bei mir einziehen wollte mit seinen Tieren und ich habe es erlaubt ich habe zugelassen dass er das Lebendfutter in der Badewanne hortete habe das Wohnzimmer geopfert damit er das große Terrarium bauen konnte mit Temperaturregler und Feuchtigkeitsspender und allem Pipapo ein Dschungel aus Kletterbäumen und exotischen Lebendpflanzen, Moosen und Flechten sah toll aus wie im tropischen Regenwald stundenlang haben wir davor gesessen. Friedhelm konnte sich nicht sattsehen an den Tieren der Anblick hat ihn geil gemacht sein Schwanz starr aufgerichtet wie eine attackierende Schlange komm mein Psychopath hat er gesagt und mich von hinten genommen aber wer war der Psychopath er hat mit diesen Spielchen angefangen nicht ich doch dann ist er abgehauen mit so einem verwichsten Filmemacher aus der Münchener Schickeria dein Körper reizt mich nicht mehr hat er gesagt du wirst alt hat er gesagt dein Bauch zeigt Ansätze von Fett.
Dabei gehe ich regelmäßig ins Fitness-Studio mache Situps morgens und abends Mein Bauch flach wie ein Brett. Ich esse vegetarisch, nur biologisch-dynamische Kost, viel Wasser, viel Obst und Jogurt, nie Süßigkeiten. Ich weiß nicht, was Friedhelm will habe mich gut gehalten mit meinen 50 Jahren meine Haare sind schwarz, nachgeholfen – zugegebenermaßen – aber Friedhelm ist auch nicht mehr zwanzig.
Du bist kein guter Fick mehr hat er gesagt ich begehre dich nicht mehr du nimmst mir die Luft zum Atmen diese erbärmliche Kreatur alles habe ich für ihn bezahlt alles die Miete für die Wohnung Urlaube das Erbe meiner Mutter ist fast aufgebraucht was hat er denn schon als Modell verdient die Aufträge ließen in letzter Zeit doch auch nach und ausgerechnet er will jetzt Karriere als Schauspieler machen das ich nicht lache und die Tiere habe ich ihn gefragt kannst du behalten hat er gesagt als Erinnerung da hast du lange was von und als er sich dann mit einem Schulterzucken wegdrehte habe ich ihn gepackt gewürgt seinen Kopf gegen die Stangen des Terrariums geschlagen er war schnell bewusstlos und ich habe die Stahltür aufgemacht und ihn hineingezwängt nun ist er im Paradies bei seinen geliebten Schlangen und von den Früchten an den Bäumen kann er pflücken so viel er will und mit den Englein Flöte spielen ich werd ihn nicht hindern ihm nicht mehr im Wege stehen.
In der Absteige, in der ich wohne, bis alles organisiert ist, findet mich niemand. Meinen verehrten Kundinnen habe ich gesimst, dass ich bis auf Weiteres verreist sei. Die Ratten und Mäuse im Badezimmer werden mittlerweile krepiert sein, aber der verdammte Kakadu hat bestimmt die gesamte Nachbarschaft genervt mit seinem lauten Hungergeschrei, wahrscheinlich haben sie deshalb die Polizei gerufen, weil sie das Gekrächze nicht mehr ertragen haben.
Ich habe die Bullen gerade noch rechtzeitig gesehen. Konnte abhauen. Hier oben hinter der blinden Scheibe der Dachluke bin ich unsichtbar. Ich kann unbemerkt über die Feuerleiter verschwinden. Werden sie Friedhelm finden? Die Tierchen haben ihn bestimmt erdrosselt. Vielleicht auch hinuntergewürgt. Igitt! Geschieht ihm recht. Serves him right!
Die Dicke unter mir hängt so weit über dem Geländer, gleich hebt sie ab. Aus allen Fenstern japsen sie vor Erregung, die Weiber. Jetzt kommt auch noch ein grauer Kastenwagen. «Tiertransporte» steht drauf. Zwei Männer in weißen Schutzanzügen. Na, die werden staunen. Ein Schrei vom Balkon unten. Die Männer kommen zurück. Tragen sie Kleopatra oder Mark Anton? Der lange Schlangenkörper schlaff und durchgebogen wie ein Schlauch. Der Kopf ist deutlich erkennbar, groß und abgeflacht. Es ist Kleopatra. Klar. Bei den Pythons sind die Weibchen größer als die Männchen. Dunkle Rauten auf gelbem Grund. Schöne Tiere. Die Männer gehen zurück ins Haus. Sie holen wohl Mark Anton. Eigentlich bräuchten sie mehr Leute. Pro Meter einen Mann, das sagen die Sicherheitsbestimmungen. Falls was passiert. Wenn eine Riesenschlange sich erst einmal um deinen Arm windet oder um den Hals, dann wird‘s gefährlich. Friedhelm und ich, wir waren vorsichtig. Haben sie nie herausgeholt. Nur zugeguckt, wie sie sich über den Boden geschlängelt haben. Oder den Kunstbaum hoch. Welche Eleganz. Wie sie sich die Ratten und Mäuse geschnappt haben. Erst starr fixiert. Dann ruck zuck. Manchmal auch Kaninchen. Aber die haben mir leidgetan. Die waren so niedlich. Totenstille auf den Balkonen. Weiße Gesichter. Freut euch, Leute, endlich mal action in der Seniorenresidenz. Was wollen die mehr? Besser als jeder Tatort. Ich haue ab, solange noch alle mit Glotzen beschäftigt sind. Bye, bye, love! Das war`s. Mein Flugticket ist gebucht.
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