Eheberatung

Was hat die Eheberaterin gesagt?, fragt Marietta ihren Mann, als er abends nach Hause kommt, sich in den Sessel sinken lässt und den Fernseher anstellt.
Mit schnellen Schritten  geht sie zum Fernseher, stellt ihn aus.
Jens-Martin, wir hatten doch vereinbart, dass wir uns Hilfe suchen. Und ich habe extra diesen Termin bei der Verhaltenstherapeutin für dich ausgemacht. Warst du da oder nicht? Du wolltest ein Erstgespräch führen. Allein.
Ja, ja, das hat sie gesagt.
Was hat sie gesagt?
Dass wir beide allein und von vorne anfangen müssten.
Und was hast du gesagt?
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Was soll das denn jetzt?
Steht so in der Bibel, erinnerst du dich?
Jens-Martin, nun hör auf, den Pfarrer herauszukehren. Wir müssen unsere Probleme ernsthaft angehen.
Sollten wir uns nicht einfach scheiden lassen?
Wieso scheiden lassen? Ich dachte, wir hätten vereinbart, um unsere Ehe zu kämpfen.
Welche Ehe? Wovon sprichst du eigentlich?
Von unserer Ehe, mein Schatz. Von unserer kaputten Ehe.
Das habe ich der Psychologin auch gesagt, das sie kaputt ist. Und sie hat mich gefragt, warum wir uns nicht scheiden lassen.
Das hat sie gefragt? Was hast du gesagt?
Dass ich evangelischer Pfarrer bin und du den Skandal in der Gemeinde fürchtest.
Hat sie das eingesehen?
Sie hat gefragt, warum die Ehe gescheitert ist.
Das interessiert mich nun wirklich. Was hast du gesagt?
Dass wir gar keine richtige Ehe mehr führen. Kaum Gemeinsamkeiten haben. Dass du schon seit Jahren nicht mehr …
Nicht das schon wieder, Jens-Martin. Bitte keine Bettgeschichten. Das hatten wir vereinbart.
Das hattest du vereinbart, nicht ich.
Warum bist du nur so auf Sex fixiert?
Ich bin halt ein Mann.
Und ich bin eine Frau.
Das passt wohl nicht zusammen.
Jens-Martin, nun sei nicht albern. Natürlich passt das zusammen. Wir haben vier Kinder.
Die sind aus dem Haus.
Aber sie kommen noch immer zu Besuch. Die hängen an uns.
Und deshalb sollen wir zusammenbleiben? Ich werde in sieben Jahren pensioniert. Die von der Kirchenleitung werden schon noch eine Beschäftigung für mich finden, falls ich für die Gemeinde nicht mehr tragbar bin.
Und ich. Was soll ich tun?
Dann geh doch auch zu einem Psychologen.
Was soll ich da?
Deine Bestimmung finden.
Wer sagt das?
Meine Psychologin.
Ach, nun ist es schon deine Psychologin.
Eine durchaus sympathische Frau. Attraktiv dazu.
Jens-Martin. Wir wollten unsere Ehe retten. Und du guckst schon wieder …
Was heißt denn hier »schon wieder«?
Als wüsste ich nicht, wie vielen jungen Dingern du Augen gemacht hast, du, der Pfarrer, der die Herde hüten sollte.
Nun werde bloß nicht pathetisch, meine Liebe. Herde hüten. Ach, Herr Pfarrer, so helfen Sie mir doch, ich bin ein schwarzes Schaf. Ich suche meine Herde. Ich habe mein wahres Ich verloren. – Na so was, wo haben Sie es denn zum letzten Mal gesehen?
Jens-Martin, komm mir nicht mit abgeschmackten Witzen.
Ich werde die Psychologin wiedersehen.
Ein neuer Termin?
Eher privat.
Das ist unprofessionell von ihr. Es wird sie ihren Job kosten, dafür sorge ich.
Meinen Job wird es wohl auch kosten, so wie ich dich einschätze.
Gib doch zu, du kennst sie schon länger.
Ja, ich kenne Karina schon länger.
So, so, ihr seid schon beim Vornamen.
Ja, seit ein paar Monaten. Sie war ein paar Mal in meinem Gottesdienst und bat um ein seelsorgerliches Gespräch.
Seelsorgerliches Gespräch?
Ja. Marietta, seelsorgerliches Gespräch. Nun plappere mir doch nicht alles nach wie ein Papagei.
Das verbitte ich mir. Ich plappere nicht alles … Jens-Martin, so kommen wir nicht weiter.
Du bist krank. Ernsthaft krank. Sexsüchtig. Krankhaft triebgesteuert.
Sage ich doch.
Und dann ihr unprofessionelles Verhalten. Es ist verboten, dass ein Psychologe …
Psychologin
Eine Psychologin mit ihrem Patienten
Was? Ins Bett geht? Nun sag schon!
Sie wird schon sehen, was sie davon hat.
Soll das eine Drohung sein?
Ja!
Dann tu, was du nicht lassen kannst.
So kommst du mir nicht davon. Wenn ich daran denke, was ich alles für dich getan habe, die Kinder, die Gemeindearbeit, mein ganzes Leben habe ich dir geopfert.
Sie schluchzt und rennt aus der Tür. Er verdreht die Augen.
„Vater im Himmel!«


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