Werkstattgespräch
Der Geruch nach Öl und Benzin ist überwältigend und mischt sich mit den warmen Luftschwaden, die durch die offene Tür eindringen. Drei alte Autos mit hochgeklappter Motorhaube stehen in der kleinen, dunklen Werkstatt.
»Que calor«, stöhnt der junge, dickbäuchige Mechaniker, der sich über die geöffnete Kühlerhaube des großen Renault beugt und seine kräftigen, stark tätowierten Oberarme im Motorraum verschwinden lässt. Die schmutzige Hose rutscht ihm halb über den Hintern.
»Hmm«, sagt er, «hmm« , hebt sein mit schwarzen Bartstoppeln zugewachsenes Gesicht. Er wischt mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn und winkt seinen Lehrling heran, der ebenfalls mit gerunzelter Stirn auf die Kabel und Schläuche starrt. Auch der kleine Bengel, der die ganze Zeit still mit einem großen Schraubenzieher an einer Radkappe herumgeschraubt hat, legt sein Werkzeug beiseite, schiebt eine Kiste heran, auf die er klettert, um mit demselben sorgenvollen Blick in den Motor zu schauen. Mit dem öligen Tuch wischt der Mechaniker sich die Hände ab, zieht mit einer energischen Bewegung die Hose über Bauch und Po.
»Feio, muy feio!«
»Was sagt der?«, fragt die blonde Frau mit den kunstvoll hochgesteckten Haaren, die im geblümten, weit ausgeschnittenen Kleid auf dem ausgebauten Autositz hockt, der an der Wand abgestellt ist. Sie hat die Ray Ban auf die Stirn geschoben und malt ihre Lippen nach. Perfekt. Ohne Spiegel.
»Es gibt wohl ein Problem«, sagt der ältere Herr im hellen Sommeranzug, der neben dem Mechaniker steht und verständnislos auf die Kabelage im Kühler schaut. »Ein größeres Problem. Aber was genau los ist, verstehe ich auch nicht. Du hast doch den Spanischkurs gemacht. Nicht ich.«
»Aber doch keine Vokabeln aus dem Mechaniker-Milieu, Schatz«, sagt sie und verzieht die Lippen. »Dieses Fachchinesisch verstehe ich noch nicht mal auf Deutsch, wie du weißt. Ich habe dir übrigens immer gesagt, wir sollten uns einen BMW X7 anschaffen, dann hätten wir diesen Ärger nicht. Ein französisches Auto, ausgerechnet einen Renault, du bist von allen guten Geistern verlassen. Aber an deine Frankophilie werde ich mich nie gewöhnen können. Vive la France! Käse und Wein reichen mir völlig.«
Der Mechaniker unterbricht den ehelichen Schlagabtausch, reibt bedauernd die Hände aneinander, hält Daumen und kleinen Finger ans Ohr und sagt mit einem freundlichen Grinsen etwas von »mañana und teléfono.«
»Wir hätten sofort den ADAC anrufen sollen«, zischt die Frau, als sie ins Taxi steigen. »Du bist ja auch zu vertrauensselig. Bloß weil du der Kleinen am Empfang zu tief ins Dekolleté schaust, hast du dich auf diesen muy buen amigo eingelassen. Ich sage dir, das ist ein abgekartetes Spiel.«
»Nun sei doch nicht so misstrauisch«, sagt er. »Den ADAC können wir immer noch anrufen. Wir sind doch nicht in Eile. Du hast gesagt, es gefällt dir gut hier in Conil. Genießen wir doch die paar Extratage.«
»Ich muss nächste Woche zum Shooting, das weißt du genau«, sagt sie. Er antwortet nicht.
Am nächsten Morgen sagt die junge Frau an der Rezeption, ihr Freund habe bereits angerufen, die Sache sei ernst, wirklich ernst. Bei der letzten Inspektion sei von der Werkstatt geschlampt worden. Der Steuerriemen sei defekt, der Motorschaden noch nicht absehbar. Ihr Freund schlage vor, die Versicherung einzuschalten. Er brauche mindestens eine Woche, um die Teile zu besorgen und einzubauen. Vielleicht sei eine Renault-Werkstatt die bessere Alternative.
»Siehst du«, sagt er. »Der Mechaniker ist ein ehrlicher Typ. Habe ich doch gleich gefühlt.«
»Du und deine Gefühle«, sagt sie. »Los, ruf den ADAC an. Schließlich haben wir die goldene Versicherungskarte.«
Wieder die Fahrt ins Nirgendwo, diesmal mit dem Leihauto. El Colorado heißt der kleine Ort im Hinterland der andalusischen Südwestküste, in dem die Werkstatt liegt. Dorthin waren sie am Tag zuvor dem Mechaniker im eigenen Auto gefolgt, das beunruhigende schleifende Geräusche von sich gab, so dass sie jeden Augenblick damit rechnen mussten, dass der Wagen den Geist aufgab. Schon gestern hatte sie die trostlose Leere der Landschaft beunruhigt. Die Fahrt eine Finte, um ein gut betuchtes deutsches Ehepaar auszurauben und auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen, fragt sich die Frau. Sie habe eine Menge Krimis gelesen, wisse Bescheid über die Schlechtigkeit der Welt, sagt sie. Und nun fahren sie zum zweiten Mal hinaus in dieses
Niemandsland. El Colorado, ausgerechnet El Colorado!
»Nomen ist omen«, murrt die Frau.
»Jetzt sprichst du schon Latein«, sagt er. »Ist das nicht ein wenig übertrieben, meine Liebe?«
Ihre Blicke wie Dolche. Bis zum Horizont eine verbrannte Steppenlandschaft. Flache gelb-braune Sandböden, vereinzelte vertrocknete Pinien, hin und wieder kleine Ortschaften mit baufälligen Häusern und vernachlässigt aussehenden Werkstätten. Ein bisschen Grün um die Brunnen, vor denen schwarz gekleidete Frauen auf rostigen Bänken sitzen und schwatzen. Viel Wellblech, Reklametafeln wie in den Vororten amerikanischer Städte des mittleren Westens, Billigläden, Restaurants mit abgeblätterter Farbe und schief hängende Jalousien.
»Immerhin hat jetzt der Typ vom ADAC die Adresse dieser obskuren Werkstatt und schickt einen Abschleppwagen«, unterbricht die Frau das Schweigen. »Man wird uns nichts tun.«
»Warum sollte man uns was tun? Du solltest wirklich mit dem ewigen Krimi-Gucken aufhören. Das verwirrt nur dein Gehirn. Oder hast du dich schon auf die Schlagzeilen in der Bildzeitung gefreut: Deutsches Model in Südspanien entführt. Lösegeldzahlung wird ausgehandelt. Eine aufgeregte Presse wäre deiner Karriere sicher sehr förderlich.«
»Blödmann«, sagt sie, lehnt sich in den Sitz zurück und schließt die Augen.
Juan komme gleich wieder, er hole nur Ersatzteile, sagt der Lehrling in der Werkstatt. »Dos minutos«.
»Bestimmt Gummizeit«, sagt die Frau.
»Nun sei doch nicht immer so negativ!«, sagt der Mann. »Immerhin hat dieser Juan im Hotel angerufen und von sich aus angeboten, den Wagen in eine Renault-Werkstatt bringen zu lassen. Er hätte auch selbst daran rumfummeln, sich eine goldene Nase verdienen können.«
»Ja, du mit deinem nervenaufreibenden Optimismus. Wir werden ja sehen, was passiert. Wahrscheinlich kommt der versprochene Abschleppwagen gar nicht. Wir sind in Spanien, wenn du das noch nicht gemerkt haben solltest.«
Der Mann zieht es vor zu schweigen. Zwei Minuten später kommt Juans alter Toyota fröhlich hupend die Einfahrt hinuntergerumpelt, gefolgt vom rotgelben Abschleppwagen.
Der Mann wirft seiner Frau einen triumphierenden Blick zu, den diese ignoriert.
Juan versucht noch einmal, dem Deutschen das Problem zu erklären. Hoffnungslos. Juan zückt sein Smartphone.
»Tengo un amigo aleman«, strahlt er. »El va explicar.«
Tatsächlich, in der Leitung eine deutsche Stimme mit schwäbischem Dialekt. Der Zahnriemen sei kaputt, der Sensor in der vorherigen Inspektion falsch eingesteckt worden, daher keine Fehlermeldung. Wie groß der Motorschaden sei, könne man noch nicht beurteilen. Juan könne zwar versuchen, den Schaden zu reparieren, brauche aber viel Zeit. Bestimmt eine Woche. Die Fachwerkstatt sei voraussichtlich schneller und habe alle Ersatzteile da.
»Siehst du«, sagt der Mann. »Du hattest Unrecht mit deinem Misstrauen.«
Er zückt die Brieftasche.
»La cuenta«, sagt er zu Juan.
Juan winkt ab. »No, nada. Yo he hecho nada.« Wieder sein freundliches Grinsen. Die schwarzen Augen funkeln, als er abwehrend die Hände hebt. »Nada, Senhor!«
»Nein«, sagt der Mann und zieht einen größeren Schein aus dem Portemonnaie.
»Para su trabajo. Muchas gracias!« Er drückt dem Mann das Geld in die Hand.
Der Renault wird auf den Abschleppwagen gehievt. Juan winkt. Der Lehrling auch. Dem Knirps hat der Mann im letzten Moment noch eine Tüte Bonbons zugesteckt. Der strahlt jetzt mit zuckerverschmiertem Mund. Hebt begeistert beide Arme hoch.
»Vielleicht hätten wir Juan doch den Wagen da lassen sollen«, sagt der Mann. »Der ist wenigstens ehrlich und zuverlässig. Wer weiß, was die Renault-Werkstatt jetzt ausheckt. Kaum zu kontrollieren. Teurer wird die Reparatur auf jeden Fall.«
»Mach, was du willst«, sagt sie. »Ich nehme den nächsten Flieger nach München. Schließlich habe ich meine Termine. Und in diesen Renault setze ich mich sowieso nicht mehr.«
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