Radtour
Ich wuchte das sündhaft teure Rennrad aus dem Keller und stelle es in die Garage. Ich will mein Rad überholen und für die Frühjahrstour startklar machen. Der Rahmen ist grau vor Staub. Ich hole weiche Lappen, einen Eimer mit warmem Wasser, eine Drahtbürste und ein wenig Öl für die Kette.
Vor dreißig Jahren in Porto, da haben sich unsere Männer um die schweren Tourenräder gekümmert, sie geputzt und repariert, als ich mit einer Freundin im Frühjahr quer durchs Alentejo in die Algarve radeln wollte, erinnere ich mich ein wenig wehmütig, wische den Rahmen feucht ab und reibe mit dem Lappen nach, damit kein Rost ansetzt.
Sattel und Lenker haben sie uns auf die richtige Höhe eingestellt, die Radmuttern nachgezogen. Sogar das Licht funktionierte. Ist das lange her! Jetzt muss ich selbst die Schrauben nachziehen, weiß inzwischen aber, was ein Imbus-Schlüssel ist.
Der Luftdruck in den Reifen ist schlapp, ich schließe die Fußpumpe an. Nach wie vor finde ich es anstrengend, die schmalen Reifen aufzupumpen, auch wenn die kleine unpraktische Luftpumpe längst der Vergangenheit angehört. Sorgfältig kontrolliere ich das Manometer, bis es 4 bar anzeigt. Früher habe ich über seinen männlichen Perfektionismus gelacht.
Mit dem Auto haben sie uns damals bis Lissabon gebracht und auf Spur gesetzt. Sie haben natürlich geglaubt, wir würden sie nie schaffen, die lange Tour. Mangelhafte Ausrüstung und weibliches Unvermögen, eine Landkarte zu lesen. Wir hatten uns noch nicht einmal zeigen lassen, wie man ein Loch flickt, ein Rad ausbaut. Wir glaubten, die heißen Höschen und die engen Shirts würden jeden portugiesischen Mann in Windeseile dazu bringen, uns bei einer Panne zu helfen.
Kartenlesen habe ich inzwischen gelernt, und zur Not gibt es GPS.
Probeweise schwinge ich mein Bein über die Stange, setze mich auf den Sattel und stütze mich mit einer Hand an der Garagenwand ab. Ich will kein Damenrad mit Durchstieg, wie es mir der Fahrradhändler andrehen will. Für wie alt hält der mich? Ich klicke versuchsweise die Rennradschuhe in die Pedalen ein. So ausgerüstet wären wir damals doppelt so schnell gewesen. 21 Gänge! Keine elende Schieberei auf den Bergstrecken wir hätten wir mehr Spaß gehabt.
Ich bin so in Gedanken, dass ich versuche abzusteigen, ohne mich vorher von den Klickpedalen zu befreien. In Zeitlupe rutsche ich an der Wand entlang und gehe mitsamt meines schicken Rennrads zu Boden.
„Gehirnerschütterung“, stellt der Notarzt fest. Ich hatte vergessen, meinen Helm aufzusetzen.
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5. Oktober 2010 at 20:34
Eine der besten Geschichten mit einem originellen Ende, bei dem man sich trotz Mitgefühl ein Lächelnd nicht verkneifen kann.