Schneller,Oma!
«Yipiih», brüllt Max-Emanuel, stößt sich ab, geht tief in die Knie, klemmt die Skistöcker unter die Arme und rast den Hang hinunter.
«Halt, nicht so schnell», schreit die Oma und steigt in ihre Ski. Klick und nichts wie hinterher. Ob es eine so gute Idee war, ihrem Enkelsohn zum sechsten Geburtstag ein Skiwochenende in den Bergen zu schenken?
Nun will Max-Emanuel seiner Oma zeigen, dass er viel schneller fahren kann als sie. Sie kann nicht mehr gemütlich die blauen Pisten hinuntergleiten, nein, sie muss immerzu hinter Max-Emanuel herjagen.
«Warte», schreit sie. «Warte auf mich!» Angst zu fallen hat sie auch.
«Lass bloß nichts passieren, lieber Gott», betet sie. Schließlich ist sie keine zwanzig mehr. Unten am Lift wartet der Zwerg, strahlt sie an und sagt:
«Geil, Oma, geil!»
«Nächstes Mal wartest du auf mich, Maxl», sagt sie und japst nach Luft. «Und wenn ich ’stopp‘ schreie, hältst du an, verstanden!»
Er nickt schuldbewusst. «Versprochen, Oma!»
Gemeinsam schieben sie sich am Automaten vorbei zur Seilbahn. Sechsergondeln. Sie haben die lange Bank ganz für sich allein. Die Oma hebt den Arm, holt den Bügel herunter, beide stellen die Ski auf die Fußraste.
«Letzte Abfahrt», sagt sie.
Max-Emanuel hat die Skibrille hochgeklappt und starrt auf ihre Ski.
«Sag mal, Oma», sagt er zögernd. «Sind das deine Ski?»
«Was?» Die Oma schaut auf ihre Ski. «Klar sind das meine Ski. Steht doch drauf: K2 Siehst du, K2, das kannst du doch schon lesen. Ein K und eine 2»
«Aber deine Skier waren heute Morgen blau.»
«Wirklich?» Die Oma hebt ein Bein ein wenig an. Tatsächlich, die Skier an ihren Füßen sind überhaupt nicht blau.
«Die sind weiß», sagt Max-Emanuel. «Ganz weiß.»
«Bist du sicher, dass meine Ski blau waren?»
Max-Emanuel nickt. «Ganz sicher. Deine Ski waren blau.»
«Aber wo sollen sie denn sein?»
«Vor der Hütte», sagt Max-Emanuel. «Du hast sie vertauscht.»
Ihr steigt die Röte ins Gesicht vor Verlegenheit. Und auf einmal hat sie es ganz eilig. Wie langsam sich die Kabinenbahn nach oben bewegt. Sie reißt den Bügel hoch, ehe sie in den Ausstieg einfahren.
«Oma, das ist verboten», sagt Max-Emanuel. «Die Ampel ist rot.»
«Komm schnell, Maxl», Sie zieht ihn vom Sitz.
«Aua», sagt Max-Emanuel. «Du tust mir weh.»
Diesmal ist sie es, die wie eine Verrückte lossaust.
«Warte», ruft Max-Emanuel.
In der zweiten Kurve fällt er hin. Mit dem Gesicht in den Schnee.
«Blöde Oma», sagt Max-Emanuel und rappelt sich hoch. Aber auch das kriegt die Oma nicht mit.
Vor der Hütte steht eine Gruppe von Leuten. Sie gestikulieren, schauen auf die in den Schnee gerammten Ski, schütteln die Köpfe.
«Unverschämtheit», hört man die wütende Stimme einer jüngeren Frau. «Nagelneue Ski. Geklaut. Einfach geklaut. Und dann diese alten Möhren hier.» Sie stößt mit den Skischuhen gegen ein Paar blaue Ski, die hochaufgerichtet im Schnee stecken.
Die Oma bemüht sich um einen eleganten Schwung zum Hang. Kommt zum Stehen. Aber da ist auch schon Max-Emanuel in einer weißen Schneewolke.
«Ich bin gefallen», schimpft er. «Und du hast nicht auf mich gewartet. Du bist gemein!»
Er schleudert die Skier von den Füßen und stapft wütend in Richtung Hütte.
Die Oma sieht sich verlegen um. Steigt aus den Skiern.
«Das sind doch meine!», sagt die junge Frau. «Was machen Sie mit meinen Skiern?»
«Entschuldigung», sagt die Oma. «Es tut mir leid, aber ich habe sie in der Eile verwechselt. Ich musste so schnell hinter meinem Enkel her.»
«Stimmt gar nicht», Max-Emanuel dreht sich um. »Meine Oma ist bestimmt farbenblind. Sie hat gar nicht gemerkt, dass sie die falschen Ski anhat. Das habe ich erst im Lift gesehen.»
«Prima, dass wenigstens du so gut aufgepasst hast», sagt die Frau und die Umstehenden lachen. Gott sei Dank, sie lachen wirklich.
«Es ist mir sehr peinlich», sagt die Oma. «Darf ich Sie alle zum Bier einladen?»
«Au ja», sagt Max-Emanuel. «Und ich will eine Cola. Und wenn wir runterfahren, passe ich auf, dass Oma die blauen Ski anzieht.»
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5. Oktober 2013 at 23:43
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Die Geschichte ist nett, aber eben nur nett. Es scheint mir z.B. nicht sehr glaubwürdig, dass die Oma gerade passend jetzt merkt, dass sie farbenblind ist.