Bodyboarding

2013-11-11_17-42-22Die Straße von Icod zur Badebucht San Marcos windet sich in Serpentinen den Hang hinunter. Doch nicht nur die ausländischen Touristen in ihren gelben und roten und blauen Plus- und Goldcars fahren vorsichtig, auch die einheimischen Tinerfenos lassen den heraufkommenden Wagen die Vorfahrt, fahren in die Ausweichbuchten, warten geduldig, heben grüßend die Hand.

Die große Bucht mit dem feinkörnigen, schwarzen Sand wird von imposanten Armen aus dunklem Lava umfasst, sodass nur eine etwa fünfhundert Meter breite Öffnung bleibt, durch die das aufgewühlte Meerwasser eindringen kann. Der Wind, schätze ich, hat weiter draußen vier bis fünf Windstärken. Weiße Katzenköpfe bis zum Horizont. In den letzten Tagen war die See zu rau für die bunten Fischerboote, die – von einem Kran ans befestigte Ufer gezogen – nun auf der Mole auf ihren Einsatz warten. Lebensmüde ist hier niemand, dafür haben die einheimischen Fischer zu viel Erfahrung mit Wind und Wetter und den sich hoch auftürmenden Wellen. Im Herbst stürmt es oft mehrere Tage hintereinander, dann bleiben die Boote an Land.

Ein Holzsteg umrundet einen Teil der inneren Bucht, und wir gehen zu einer der kleinen Strandbuden, die sich an die schwarzen Felswände schmiegen, setzen uns an einen weißen Plastiktisch und bestellen ein Viertel kanarischen Weißwein und »agua con gas«.
Es ist Mittagszeit. Spanische und ausländische Touristen haben die Gelegenheit ergriffen, sich im Sonnenschein und mit Sicht aufs Meer einen der frischen Fische servieren zu lassen, die in den Glasvitrinen im Inneren der Tasca ausgestellt sind. Dazu gibt es »papas«, kleine, in Meersalz gekochte Kartoffeln, serviert mit grüner und roter scharfer Soße.
Ich sehe keine Schwimmer im Wasser, aber viele Sonnenanbeter, die auf Liegen oder Strohmatten mit geschlossenen Augen im dunklen Sand liegen und die Wärme genießen.

Eine kleine Gruppe von 10- bis 12-jährigen Jungen in schwarzen Neoprenanzügen kommt fachsimpelnd und wild gestikulierend den steilen Steg zum Strand hinunter, bunte Bodyboards unter den Armen. Magere, samtbraune Oberkörper glänzen in der Sonne. Sie werfen Handtücher auf das steinerne Mäuerchen am Rand, streifen Flossen über und federn mit geschickten Sprüngen Richtung Meer, die Bretter hoch über dem Kopf balancierend.

Am Ufer laufen die weißen Brecher auf, hellgrün wird die Welle, ehe sie bricht und die Gischt den Jungen ins Gesicht spritzt. Behände staksen sie durch den weißen Schaum, hechten über die erste sich auftürmende Welle, tauchen unter der zweiten Welle durch und paddeln mit schnellen, kräftigen Kraulbewegungen ins ruhigere Wasser hinter die Brandung, eins mit dem Brett und dem Wasser, elegant und verspielt wie junge Seehunde.
Die Regel „eine Welle – ein Surfer“ scheint hier nicht zu gelten. Fast gleichzeitig wenden die Schwimmer ihre Boards, drehen die Köpef zur nächsten heranrollenden Welle. Sie bleiben eng zusammen wie eine gut trainierte Ballettgruppe, lassen Abstand zu den hier und da aus dem Meer ragenden Lavaspitzen und wissen offensichtlich, wo es die besten Wellen zu reiten gibt. Mit rasend schnellen Bewegungen versuchen die jungen Surfer, sich der Geschwindigkeit der heranrollenden Wogen anzupassen, lassen sich hochtragen und versuchen dann, auf der steilen Seite hinunterzugleiten, überschlagen sich im Schaum der brechenden Wassermassen. Sie werden nach unten gewirbelt, drehen sich um 360 Grad, werden vom Brett gefegt. Die Jungen sind keine Anfänger, das sieht man, aber immer wieder kommt es vor, dass die Schlaufe weggerissen wird, die das Handgelenk mit einem Ende des Boards verbindet. Das Brett macht sich selbstständig, treibt allein und unbemannt auf den Strand zu. Nun muss der kleine Surfer versuchen, sich ohne Hilfe des Brettes an Land treiben zu lassen, möglichst  Boden unter die Füße zu bekommen, um nicht von dem sich zischend zurückziehenden Wasser wieder hinausgezogen zu werden. Die Jungs helfen sich gegenseitig, scheinen sich im Auge zu behalten und bringen strampelnden Kameraden das am Strand angeschwemmte Board zurück.

Gibt es an diesem Strand keinen Bademeister? Niemanden, der die Trillerpfeife in den Mund steckt, wenn die Jungen sich zu weit ins offene Wasser wagen? Ich erwische mich dabei, dass ich die Köpfe zähle und immer wieder zähle, ob alle wieder auftauchen. Haben die Jungen keine Mütter, die sich Sorgen machen und in Panik geraten würden, wenn sie sähen, wie sich ihre Söhne in die tobende Brandung stürzen?
»Gottseidank sind die Mütter nicht hier«, sagt mein Begleiter und lacht.«“Die würden doch nur den Jungen den Spaß verderben.«
Erst als zwei der halbwüchsigen Surfer weit hinauspaddeln und hinter den Wasserbergen zu verschwinden drohen, steht ein Mann auf und geht ans Wasser. Doch jemand, der sich kümmert, denke ich erleichtert.
Als die Wellen niedriger werden, packen die Jungen ihre Bretter unter den Arm, fahren mit dem Handtuch über die klatschnassen, schwarzen Haare und verlassen den Strand, wie sie gekommen sind, redend und lachend und mit den Händen fuchtelnd.
Sind das die Surfer von morgen, die in ein paar Jahren in den Hotspots der Welt todesmutig die haushohen Wellen reiten, immer wieder verborgen in brausenden Röhren aus Wasser und Schaum?
Warum sollte es anderen Müttern besser gehen als mir?


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